anerkennen, was ist

11. September 2023

Mit Anfang 20 habe einen Film gesehen, der mich tief beeindruckt hat und mich bis heute begleitet. Eigentlich ist es nur eine Szene. Genau genommen sogar nur ein Satz… 

Der Film spielt in Schweden Anfang des letzten Jahrhunderts. Irgendwo auf dem Land. Eine Familie, die schon 3 oder 4 eigene Kinder hat, nimmt ein Kind auf, das seine Eltern verloren hat. Irgendwann im Verlauf der Handlung ist die Frau mit ihrem Mann in einem Gespräch. Oder besser in einer Auseinandersetzung. Da sind viele Spannungen und Gefühle im Spiel. Die Frau ringt um etwas. Das ist deutlich spürbar. Sie will etwas sagen, weiss aber nicht wie. Und dann spricht sie es aus. Sie sagt diesen ungeheuerlichen Satz, bei dem ich heute noch noch Gänsehaut bekomme: 

„Ich liebe dieses Kind einfach nicht wirklich.“ (und meint damit das Kind, das nicht ihres ist)

Das sitzt.
Das hat maximale Sprengkraft. 
Denn es widerspricht allem, was von einer Frau Anfang des letzten Jahrhunderts (aber ist das heute so anders?) erwartet wird. 

Die Frau spricht ihre Wahrheit. Das verändert ihr Leben.
In dem Moment allerdings, als sie sie ausspricht, weiss sie nicht, WIE diese Veränderung aussehen wird. Ob ihr Mann wütend reagiert und sie vielleicht sogar verstösst oder ob ihr Verständnis und Mitgefühl entgegenkommen. 

Sie spricht ihre Wahrheit trotzdem.

Genau das ist es, was mich bis heute tief berührt. Diese unerschütterliche Klarheit, die entsteht, wenn die Zeit reif dafür ist, anzuerkennen, was WIRKLICH ist.  

Das ist es, was mich bis heute bei meiner Arbeit mit Menschen inspiriert. 

Denn dieses Anerkennen geschieht nicht von allein. Sehr oft geht ihm ein intensiver Prozess voraus. Scham- und Schuldgefühle wollen durchlebt und transformiert werden. Trauer über etwas, was man sich so sehr wünscht, aber nie Wirklichkeit geworden ist, will ganz gefühlt werden. 

Das, was WIRKLICH ist, kann erst dann hervortreten, wenn wir nicht mehr von uns selbst verlangen, irgendwie fühlen oder sein zu müssen.  

Dieser Prozess ist befreiend. Und setzt grosse Kräfte frei.

Ich bin da im Kleinen wie im Grossen schon ganz oft selbst durchgegangen. Und immer wenn ich so einen Prozess bei jemanden begleite und miterlebe, erfüllt es mich mit AWE ✨

 

29. April 2023

 

Bei schönem Wetter hätte man einen grandiosen Ausblick auf die Alpen gehabt. Doch der Tag im Juni 2010, als wir geheiratet haben, war regnerisch und es hatte maximal 12 Grad. 

Die Zeremonie am Waldrand und das Fest waren trotzdem einzigartig und wunderschön (woran auch die Tatsache nichts ändert, dass wir uns gerade scheiden lassen). Aber der Stachel mit dem Wetter sass tief... Ich habe dem Leben (wem sonst??) Vorwürfe gemacht, dass es es nicht gut mit mir meint. Hab wie ein trotziges Kind eine Schnute gezogen: "Du blödes Leben, du bist mir im Fall strahlenden Sonnenschein schuldig geblieben!!“

Auch in den jahren danach hat die Sonne meinem Empfinden nach viel zu wenig gescheint. Und wieder war da diese Anklage in Richtung Leben. Dass es mir etwas schuldig bleibt, was mir zusteht. 

Moment mal: Das Leben ist mir etwas schuldig? Wirklich??

Erst nach und nach hab ich verstanden, dass es andersrum ist. Dass (wenn überhaupt) ICH dem Leben etwas schulde. Und zwar mein bedingungsloses JA. 

Mein JA zu dem, was anders ist, als ich es mir vorstelle, erhoffe, wünsche oder erwarte. 

Irgendwann habe ich verstanden: Solange ich in den Vorstellungen und Erwartungen bleibe, verweigere ich mich dem Leben. 

Was bedeutet: Ich kann mich erst wirklich auf das Leben einlassen, wenn ich es wirklich an mich herankommen lasse. 

Erst wenn ich mich nicht mehr gegen das, was ist, wehre, komme ich in meine ganze Kraft (weil sie dann nicht mehr für den Widerstand draufgeht;-)) Erst dann kann ich anfangen, Möglichkeiten auszuloten, um mit dem umzugehen, was anders ist. Erst dann kann ich mein Leben bewusst gestalten. 

Und so ist es nur folgerichtig, dass ich seit fast zwei Jahren Outdoor-Retreats anbiete, bei denen das Wetter die grösste Unbekannte ist. Doch inzwischen verliere ich mich nicht mehr im Widerstand:  Ich lerne. Nicht nur den Spirit bei schlechtem Wetter zu halten, sondern Tarps aufzuspannen, eine regendichte Outdoor-Küche aufzubauen und vieles mehr. 

Ich wachse jedes Mal ein bisschen über mich selbst hinaus. 

Was definitiv ein erhebendes Gefühl ist. 

 

13. Mai 2022

Und plötzlich sagt sie in die Stille hinein: „Meine grösste Sehnsucht ist es, JA sagen zu können.“

Ich habe diese Woche eine Frau in einem Coaching begleitet. Eine Stunde lang habe ich sie immer wieder eingeladen, zu verlangsamen und genau hinzuspüren, was denn da wirklich ist und Worte zu finden, die ihr helfen, sich selbst liebevoll zu halten. Irgendwann sind wir beide still geworden. Es schien alles gefühlt und gesagt zu sein. Bis sie klar und deutlich sagt: 

„Meine grösste Sehnsucht ist es, JA sagen zu können.“

Gänsehaut. Etwas in mir geht sofort in Resonanz. 

Nicht JA sagen im Sinne von ‚annehmen MÜSSEN‘, weil wir ja inzwischen alle wissen, dass annehmen wichtig ist. 
Nicht JA sagen im Sinne von aufgeben, weil es halt nicht zu ändern ist. 
Auch nicht JA sagen und insgeheim hoffen, dass dann alles gut wird… 

Sondern: Den ganzen Widerstand fühlen. Und den Dingen trotzdem in die Augen schauen. Und plötzlich JA sagen WOLLEN. Weil es das eigene Leben ist. 

Dann ist das JA ein Startschuss. Für alles, was ist und noch kommt. Denn nur weil wir JA sagen, wird ja nicht alles leicht und einfach... Die Herausforderungen bleiben. Aber uns steht plötzlich unsere ganze Kraft zur Verfügung. Weil wir nicht mehr gegen irgendetwas ankämpfen, sondern mit dem, was ist, eins werden ✨

 

8. Mai 2023

Wenn wir auf unser Leben schauen, finden wir alle Situationen, mit denen wir im Unfrieden sind. 

Dieser Unfrieden hat damit zu tun, dass wir uns in den Gefühlen (Enttäuschung, Verzweiflung, Angst, Wut etc.) und Vorstellungen (es sollte so oder so sein, es wäre besser, wenn ich… etc.) aufhalten, statt mitten im Herz der Wirklichkeit. 

Dort, wo das, was ist, sein darf. 

Dort, wo Ruhe und Frieden sind.

Der einzige Ort, von dem aus echte Veränderung stattfinden kann. Deshalb ist es so wichtig, sich immer wieder mitten ins Herz der Wirklichkeit zu stellen. 

Und das geht über ‚anerkennen, was ist‘, z.B. so:

«Ich habe mich geirrt.»
-  Welche Gefühle tauchen auf? z.B. Scham, Unwohlsein etc. Nimm sie wahr und lasse sie wie eine Welle durch dich durchfliessen. 
- Gibt es Vorstellungen im Zusammenhang mit diesem Satz? z.B. «Sich zu irren, bedeutet, schwach zu sein und Schwäche zeigen ist etwas Schlechtes.» Nimm auch diese Sätze bewusst wahr, ohne dich in ihnen zu verlieren. Un zwar indem du dich immer wieder auf das ausrichtest, was wirklich ist, z.B. die Tatsache, dass du dich geirrt hast. Das ist die Wirklichkeit (vor der wir oft Angst haben, weil sie nicht dem entspricht, was wir uns wünschen und erhoffen…)
- «und gleichzeitig» fungiert als Brücke, um den Widerstand gegen die Wirklichkeit (zu dem, was ist) einzubeziehen: «Ich habe mich geirrt. Das ist mir extrem unangenehm. Ich will das vor mir selbst nicht zugeben. UND GLEICHZEITIG ist es so. Ja, ich habe mich geirrt. Ich kann das kaum aussprechen, ohne dass mir heiss wird. UND GLEICHZEITIG ist es so. Auch wenn mir das nicht gefällt. Ich kann das nicht mehr ändern. Ich kann eigentlich nur dem ins Auge schauen, was ist. Es ist mir immer noch unangenehm. Auch das möchte ich anerkennen. GLEICHZEITG: Es führt kein Weg daran vorbei: Ich habe mich geirrt… Ich merke, dass ich erlauben möchte, dass es so ist, wie es ist. Alles andere ist einfach zu anstrengend. Also: Ich habe mich geirrt. Punkt.» 

Im schönsten Fall spürst du am Ende dieses Prozesses Erleichterung, weil sein darf, wogegen du dich die ganze Zeit gewehrt hast. Du spürst Ruhe. Und Kraft. Erst jetzt macht es Sinn, dir zu überlegen, ob es irgendetwas zu tun gibt oder nicht. 

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